Das schwarze Schaf Als Liz am Samstag Abend pünktlich 10 Minuten zu spät die geschlossene Gesellschaft ihrer Mutter mit ihrer Anwesenheit beehrte, erlebte sie eine Überraschung. In der anderen Ecke des Raumes stand Henry. Er trug einen Smoking und sprach mit einer Frau, die nur seine Mutter sein konnte. Sie hatte die gleichen Augen und den gleichen Mund, nur ihre Nase war feiner als Henrys. Die beiden redeten auf eine Art und Weise aufeinander ein, die Liz vermuten ließ, dass sie ein Auseinandersetzung hatten.
Liz hatte nie nach Henrys Familie gefragt. Alles, was er über seine Eltern ihr gegenüber erzählt hatte, war, dass sie nicht gerade gut miteinander auskamen, weil sie der Meinung waren, Henry sei zu etwas höherem berufen als Koch. Dass seine Eltern allerdings auf der selben gesellschaftlichen Stufe standen wie ihre eigenen, das hatte Liz daraus nicht geschlossen. Aber es konnte nicht anders sein, sonst hätte ihre Mutter Henry und seine Eltern nicht eingeladen.
Henry blickte auf und sah Liz für eine Sekunde direkt an. Dann wand er seine Augen ab. Liz versuchte, die Situation zu begreifen. Henry hatte ihr offensichtlich etwas ziemlich wichtiges verschwiegen. Was das sein würde, würde sie gleich erfahren, denn sie sah Henry auf sich zu kommen. Er nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett eines der Kellner, die zwischen den Gästen umherliefen. Liz begutachtete die anderen Anwesenden kurz und entdeckte niemanden sonst, den ihre Mutter als Schwiegersohnkandidaten im Sinn gehabt haben konnte außer Henry.
Henry drückte Liz ein Glas in die Hand, nahm ihre andere in seine freie Hand und zog sie hinter sich auf die Terasse.
“Da bin ich gespannt,” sagte Liz, und sie versuchte, ihre Stimme so klingen zu lassen wie sonst auch.
“Wenn ich gewusst hätte, wohin mich meine Eltern bringen würden. Aber ich wusste nichts davon, ich habe es erst begriffen, als unser Wagen hier vorgefahren ist. Ich, meine Eltern, wir sind ... ich hätte dir das alles schon längst sagen sollen, aber ich hatte Angst, dass du das Interesse an mir verlierst, wenn ich dir die Wahrheit sage. Ich hatte immer das Gefühl, dass meine niedere Herkunft einen Teil der Anziehung ausmacht, die ich auf dich ausübe. Wenn du wüsstest, dass blaues Blut in meinen Adern fließt, bin ich nicht mehr interessant für dich, dachte ich, egal, ob ich das schwarze Schaf der Familie bin oder nicht. Dass ich aus meinem Elternhaus abgehauen bin, um das zu machen, was ich will, das würde nicht reichen, habe ich befürchtet. Es tut mir leid, Liz, ich hätte dir die Chance geben müssen, all das selbst zu entscheiden, statt so zu tun, als wäre ich armer Schlucker.”
“Wer bist du?”, fragte Liz, und diesmal konnte sie das Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen.
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Das schwarze Schaf
Als Liz am Samstag Abend pünktlich 10 Minuten zu spät die geschlossene Gesellschaft ihrer Mutter mit ihrer Anwesenheit beehrte, erlebte sie eine Überraschung. In der anderen Ecke des Raumes stand Henry. Er trug einen Smoking und sprach mit einer Frau, die nur seine Mutter sein konnte. Sie hatte die gleichen Augen und den gleichen Mund, nur ihre Nase war feiner als Henrys. Die beiden redeten auf eine Art und Weise aufeinander ein, die Liz vermuten ließ, dass sie ein Auseinandersetzung hatten.
Liz hatte nie nach Henrys Familie gefragt. Alles, was er über seine Eltern ihr gegenüber erzählt hatte, war, dass sie nicht gerade gut miteinander auskamen, weil sie der Meinung waren, Henry sei zu etwas höherem berufen als Koch. Dass seine Eltern allerdings auf der selben gesellschaftlichen Stufe standen wie ihre eigenen, das hatte Liz daraus nicht geschlossen. Aber es konnte nicht anders sein, sonst hätte ihre Mutter Henry und seine Eltern nicht eingeladen.
Henry blickte auf und sah Liz für eine Sekunde direkt an. Dann wand er seine Augen ab. Liz versuchte, die Situation zu begreifen. Henry hatte ihr offensichtlich etwas ziemlich wichtiges verschwiegen. Was das sein würde, würde sie gleich erfahren, denn sie sah Henry auf sich zu kommen. Er nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett eines der Kellner, die zwischen den Gästen umherliefen. Liz begutachtete die anderen Anwesenden kurz und entdeckte niemanden sonst, den ihre Mutter als Schwiegersohnkandidaten im Sinn gehabt haben konnte außer Henry.
Henry drückte Liz ein Glas in die Hand, nahm ihre andere in seine freie Hand und zog sie hinter sich auf die Terasse.
“Da bin ich gespannt,” sagte Liz, und sie versuchte, ihre Stimme so klingen zu lassen wie sonst auch.
“Wenn ich gewusst hätte, wohin mich meine Eltern bringen würden. Aber ich wusste nichts davon, ich habe es erst begriffen, als unser Wagen hier vorgefahren ist. Ich, meine Eltern, wir sind ... ich hätte dir das alles schon längst sagen sollen, aber ich hatte Angst, dass du das Interesse an mir verlierst, wenn ich dir die Wahrheit sage. Ich hatte immer das Gefühl, dass meine niedere Herkunft einen Teil der Anziehung ausmacht, die ich auf dich ausübe. Wenn du wüsstest, dass blaues Blut in meinen Adern fließt, bin ich nicht mehr interessant für dich, dachte ich, egal, ob ich das schwarze Schaf der Familie bin oder nicht. Dass ich aus meinem Elternhaus abgehauen bin, um das zu machen, was ich will, das würde nicht reichen, habe ich befürchtet. Es tut mir leid, Liz, ich hätte dir die Chance geben müssen, all das selbst zu entscheiden, statt so zu tun, als wäre ich armer Schlucker.”
“Wer bist du?”, fragte Liz, und diesmal konnte sie das Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen.
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