Landluft Manchmal, wenn der Wind aus Nordosten kommt und die Bauern frisch die Felder gedüngt haben, riecht es hier nach Jauche. Landluft, wie meine Mutter sagt. Aber was meine Mutter schon über Landluft, sie war nie mit auf dem Bauernhof, auf dem ich Ferien gemacht habe. Mein Vater hat mich freitags abends hochgefahren und ist übers Wochenende geblieben, und wenn er sich am Sonntag nachmittag verabschieden wollte, musste er mich erst in einem der Ställe ausfindig machen. Wir haben auch alle zusammen Urlaub gemacht, auf gemieteten Yachten an der Cote d’Azur und zum Skifahren in Sankt Moritz, aber diese Urlaube fand ich als Kind schrecklich. Den Bauernhof dagegen habe ich geliebt, und ich bin zweimal im Jahr dorthin gefahren, bis ich zwölf war. Da habe ich von einem auf den anderen Tag das Interesse verloren, meine Mutter angerufen und verlangt, dass sie einen Fahrer schickt, der mich abholt.
Claudia sieht aus wie damals mit, ich glaube, sie ist ein Jahr älter als ich, also 13. Kein Zweifel, dass sie es ist, trotz der bunten Strähnen im Haar. Dass sie mich sofort erkannt hat, wundert mich ein wenig.
“Elisabeth! Dass wir uns hier treffen, und zuhause wohnen wir nur 30 Minuten auseinander.”
“Elisabeth sagen nur noch meine Eltern zu mir, alle anderen nennen mich Liz.”
“Liz. Das klingt nach erfolgreicher Geschäftsfrau. Bist du auch in den Betrieb deines Vaters eingestiegen? Ich leite mittlerweile die Geschäfte auf dem Hof, weil Vati lieber mit dem Viehzeug arbeiten will. Wir bieten auch immer noch Ferien auf dem Hof an.”
Der Vorwurf in Claudias Stimme ist nicht zu überhören. Aber ehrlich gesagt, ich will nicht mit ihr über die alten Zeiten reden. Zeiten, in denen mein Vater noch mein Superheld war und niemand auf der Welt etwas hätte gegen ihn sagen dürfen. Die Zeiten sind nämlich ein für alle Mal vorbei, und ich möchte nicht daran erinnert werden, dass ich jemals anders über meinen Vater gedacht habe als jetzt.
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Landluft
Manchmal, wenn der Wind aus Nordosten kommt und die Bauern frisch die Felder gedüngt haben, riecht es hier nach Jauche. Landluft, wie meine Mutter sagt. Aber was meine Mutter schon über Landluft, sie war nie mit auf dem Bauernhof, auf dem ich Ferien gemacht habe. Mein Vater hat mich freitags abends hochgefahren und ist übers Wochenende geblieben, und wenn er sich am Sonntag nachmittag verabschieden wollte, musste er mich erst in einem der Ställe ausfindig machen. Wir haben auch alle zusammen Urlaub gemacht, auf gemieteten Yachten an der Cote d’Azur und zum Skifahren in Sankt Moritz, aber diese Urlaube fand ich als Kind schrecklich. Den Bauernhof dagegen habe ich geliebt, und ich bin zweimal im Jahr dorthin gefahren, bis ich zwölf war. Da habe ich von einem auf den anderen Tag das Interesse verloren, meine Mutter angerufen und verlangt, dass sie einen Fahrer schickt, der mich abholt.
Claudia sieht aus wie damals mit, ich glaube, sie ist ein Jahr älter als ich, also 13. Kein Zweifel, dass sie es ist, trotz der bunten Strähnen im Haar. Dass sie mich sofort erkannt hat, wundert mich ein wenig.
“Elisabeth! Dass wir uns hier treffen, und zuhause wohnen wir nur 30 Minuten auseinander.”
“Elisabeth sagen nur noch meine Eltern zu mir, alle anderen nennen mich Liz.”
“Liz. Das klingt nach erfolgreicher Geschäftsfrau. Bist du auch in den Betrieb deines Vaters eingestiegen? Ich leite mittlerweile die Geschäfte auf dem Hof, weil Vati lieber mit dem Viehzeug arbeiten will. Wir bieten auch immer noch Ferien auf dem Hof an.”
Der Vorwurf in Claudias Stimme ist nicht zu überhören. Aber ehrlich gesagt, ich will nicht mit ihr über die alten Zeiten reden. Zeiten, in denen mein Vater noch mein Superheld war und niemand auf der Welt etwas hätte gegen ihn sagen dürfen. Die Zeiten sind nämlich ein für alle Mal vorbei, und ich möchte nicht daran erinnert werden, dass ich jemals anders über meinen Vater gedacht habe als jetzt.
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