Kartoffelsalat Henrys Vorstellung von Kartoffelsalat hat nicht viel mit dem zu tun, an was man sich so von Kindergeburtstagen erinnert. Denn auch wenn meine Mutter damals der Meinung war, dass mein Kindergeburtstag etwas besseres sein sollte, genau wie wir etwas besseres waren, musste sie einsehen, dass Kinder zwischen 6 und 11 am liebsten Würstchen mit Kartoffelsalat essen, und zwar Massen davon, wenn sie den ganzen Nachmittag reiten waren. Wenn meine Mutter damals Hernys Kartoffelsalat hätte auftischen können, hätte sie sich bestimmt besser gefühlt. Allerdings hätten wir Kids den wahrscheinlich nicht so gemocht wie den, den neben Kartoffeln hauptsächlich aus Miracle Whip bestand.
Henry drückt mir den Eierschneider in die Hand.
“Was soll ich denn damit, da kommen doch hoffentlich keine Eier rein?”
“Nee, damit schneidest du die Kartoffeln in gleichmäßige Scheiben. Oder willste das lieber per Hand machen?”
Ich bin überzeugt. Wenn man Mozzarella mit dem Eierschneider schneiden kann, warum dann nich auch Kartoffeln? Hauptsache, ich muss nicht wieder mit einem der großen scharfen Messer hantieren, mit denen man sich schnell halbe Finger abgehackt hat, wenn man nicht aufpasst. Und ich in im Moment andauernd unkonzentriert. Deshalb hackt Henry die Zwiebeln und den Knoblauch. Wir wollen uns später noch mit Cheyenne in einem neuen Club treffen, da haben wir die Tanzfläche dann für uns alleine, fürchte ich. Vielleicht kann ich die Leute auch davon überzeugen, dass Eau d’Ail jetzt der letzte Schrei in Paris ist - aber ich rechne nicht damit. Naja, Platz auf der Tanzfläche ist ja nichts schlechtes. Und Cheyenne ist den Flugzeugmief gewohnt, der wird das Zwiebel-Knoblauch-Aroma, das ich verströme kaum auffallen.
“Wenn du mit den Kartoffeln fertig bist, kannst du schon mal die Pinienkerne rösten. Aber pass auf dieses Mal, nicht, dass du die wieder verkohlst.”
Wie gesagt, meine Konzentration lässt zu wünschen übrig im Moment. Ich bin zu abgelenkt von den Ereignissen zu Hause. Oder was heißt Ereignisse, zu Hause selbst passiert ja nicht viel. Aber ich rechne jeden Moment damit, dass etwas passiert. Dass meine Mutter meinem Vater eine leere Flasche auf den Porsche feuert, wenn er endlich mal die Einfahrt entlang kommt. Oder dass mein Vater seine Sachen packt und ins Hotel zieht, meine Mutter in eine Suchtklinik steckt und das Haus verkauft. Was weiß ich, irgendwas in der Größenordnung wird passieren. Ich kann Henrys Optimismus, dass meine Eltern die Angelegenheit schon regeln werden wie erwachsene Menschen, nicht teilen. Das liegt hauptsächlich daran, dass die beiden sich in letzter Zeit benehmen wie Teenager. Ich beginne zu verstehen, warum meine Mutter früher nie ins Bett gegangen ist, bevor ich zu Hause war. Die Sache ist ein echter Alptraum, meine Eltern sind tickende Zeitbomben. Und ich habe keine Ahnung, wann sie heruntergetickt sind, oder wie ich sie entschärfen könnte. Ich brauche einen Sprengstoffexperten, beziehungsweise einen Eheterapeuten, der meine Eltern zur Vernunft bringt.
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Kartoffelsalat
Henrys Vorstellung von Kartoffelsalat hat nicht viel mit dem zu tun, an was man sich so von Kindergeburtstagen erinnert. Denn auch wenn meine Mutter damals der Meinung war, dass mein Kindergeburtstag etwas besseres sein sollte, genau wie wir etwas besseres waren, musste sie einsehen, dass Kinder zwischen 6 und 11 am liebsten Würstchen mit Kartoffelsalat essen, und zwar Massen davon, wenn sie den ganzen Nachmittag reiten waren. Wenn meine Mutter damals Hernys Kartoffelsalat hätte auftischen können, hätte sie sich bestimmt besser gefühlt. Allerdings hätten wir Kids den wahrscheinlich nicht so gemocht wie den, den neben Kartoffeln hauptsächlich aus Miracle Whip bestand.
Henry drückt mir den Eierschneider in die Hand.
“Was soll ich denn damit, da kommen doch hoffentlich keine Eier rein?”
“Nee, damit schneidest du die Kartoffeln in gleichmäßige Scheiben. Oder willste das lieber per Hand machen?”
Ich bin überzeugt. Wenn man Mozzarella mit dem Eierschneider schneiden kann, warum dann nich auch Kartoffeln? Hauptsache, ich muss nicht wieder mit einem der großen scharfen Messer hantieren, mit denen man sich schnell halbe Finger abgehackt hat, wenn man nicht aufpasst. Und ich in im Moment andauernd unkonzentriert. Deshalb hackt Henry die Zwiebeln und den Knoblauch. Wir wollen uns später noch mit Cheyenne in einem neuen Club treffen, da haben wir die Tanzfläche dann für uns alleine, fürchte ich. Vielleicht kann ich die Leute auch davon überzeugen, dass Eau d’Ail jetzt der letzte Schrei in Paris ist - aber ich rechne nicht damit. Naja, Platz auf der Tanzfläche ist ja nichts schlechtes. Und Cheyenne ist den Flugzeugmief gewohnt, der wird das Zwiebel-Knoblauch-Aroma, das ich verströme kaum auffallen.
“Wenn du mit den Kartoffeln fertig bist, kannst du schon mal die Pinienkerne rösten. Aber pass auf dieses Mal, nicht, dass du die wieder verkohlst.”
Wie gesagt, meine Konzentration lässt zu wünschen übrig im Moment. Ich bin zu abgelenkt von den Ereignissen zu Hause. Oder was heißt Ereignisse, zu Hause selbst passiert ja nicht viel. Aber ich rechne jeden Moment damit, dass etwas passiert. Dass meine Mutter meinem Vater eine leere Flasche auf den Porsche feuert, wenn er endlich mal die Einfahrt entlang kommt. Oder dass mein Vater seine Sachen packt und ins Hotel zieht, meine Mutter in eine Suchtklinik steckt und das Haus verkauft. Was weiß ich, irgendwas in der Größenordnung wird passieren. Ich kann Henrys Optimismus, dass meine Eltern die Angelegenheit schon regeln werden wie erwachsene Menschen, nicht teilen. Das liegt hauptsächlich daran, dass die beiden sich in letzter Zeit benehmen wie Teenager. Ich beginne zu verstehen, warum meine Mutter früher nie ins Bett gegangen ist, bevor ich zu Hause war. Die Sache ist ein echter Alptraum, meine Eltern sind tickende Zeitbomben. Und ich habe keine Ahnung, wann sie heruntergetickt sind, oder wie ich sie entschärfen könnte. Ich brauche einen Sprengstoffexperten, beziehungsweise einen Eheterapeuten, der meine Eltern zur Vernunft bringt.
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